Tim Dietrich erhält ERC Starting Grant zur Erforschung von Doppelneutronensternen
Tim Dietrich, Professor an der Universität Potsdam und Max-Planck-Fellow am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik, erhält einen European Research Council (ERC) Starting Grant in Höhe von 1,5 Millionen Euro für sein Forschungsprojekt „SMArt“ („From Subatomic to Cosmic Scales: Simulation, Modellierung und Analyse der Verschmelzung binärer Neutronensterne“).
Neutronensterne, Reste von Supernova-Explosionen massereicher Sterne, gehören zu den kompaktesten Objekten in unserem Universum. Dietrichs Forschung konzentriert sich auf die Verschmelzung zweier Neutronensterne. Obwohl solche Ereignisse selten sind, erwarten die Forschenden in naher Zukunft vermehrt Beobachtungen, wenn die Gravitationswellendetektoren Advanced LIGO, Advanced Virgo und KAGRA mit verbesserter Empfindlichkeit nach einem dreijährigen Upgrade wieder in Betrieb gehen.
Mit Hilfe der ERC-Förderung werden Dietrich und seine Arbeitsgruppe an zwei wichtigen offenen Fragen der modernen Physik arbeiten: „Wie verhält sich Materie bei extrem hohen (supranuklearen) Dichten?“ und „Wie schnell dehnt sich unser Universum aus?“ Diese offenen Fragen der Kernphysik und der Kosmologie lassen sich durch Beobachtungen verschiedener kosmischer Signale, die bei der Verschmelzung von Doppelneutronensternen entstehen, beantworten. Erst vor kurzem wurde das Fenster zur Untersuchung dieser faszinierenden Ereignisse geöffnet: Mit dem Ausbau der Gravitationswellen-Observatorien Advanced LIGO und Advanced Virgo und durch die Kombination von Erkenntnissen aus Gravitationswellenmessungen mit denen leistungsstarker Teleskope im elektromagnetischen Spektrum – von Infrarot über sichtbares Licht bis hin zu Gammastrahlen. Im Jahr 2017 fingen Gravitationswellendetektoren das erste Signal der Verschmelzung zweier Neutronensterne auf. Rund 70 astronomische Observatorien auf der Erde und im Weltraum waren an Folgebeobachtungen beteiligt und untersuchten elektromagnetische Signale dieses Ereignisses.
„Wir befinden uns derzeit an einem Scheideweg, an dem die Entwicklung präziser und robuster theoretischer Modelle von elementarer Bedeutung ist, um mit der experimentellen Entwicklung Schritt zu halten“, sagt Dietrich. „Ohne deutliche Verbesserungen unserer Modelle werden zukünftig Ungenauigkeiten in der Modellierung die Datenanalyse verzerren.“ Daher wird sich das ERC-Projekt auf die Entwicklung neuer, komplexerer Modelle zur Interpretation der Verschmelzung von zwei Neutronensternen konzentrieren. Dietrich und seine Gruppe wollen mit innovativen Techniken die Genauigkeit ihrer numerisch-relativistischen Simulationen verbessern. Aufgrund ihrer Komplexität laufen solche Simulationen in aller Regel auf großen Hochleistungsrechnern. Auf der Grundlage dieser verbesserten Simulationen werden Dietrich und seine Gruppe elektromagnetische Signale und Gravitationswellen, die bei der Verschmelzung der Neutronensterne abgegeben werden, mit höherer Genauigkeit modellieren und somit besser die theoretischen Berechnungen mit Beobachtungsdaten verbinden können.
Tim Dietrich hat Physik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Friedrich-Schiller-Universität in Jena studiert, wo er 2016 auch promovierte. Anschließend war er Postdoc am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) und Marie Sklodowska-Curie Fellow am Nikhef, dem Nationalen Institut für subatomare Physik der Niederlande. Seit Februar 2020 ist Dietrich Juniorprofessor für Theoretische Astrophysik an der Universität Potsdam und seit Juli 2021 Max-Planck-Fellow am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut). Dietrich hat bereits mehrere Preise erhalten, darunter Auszeichnungen für seine Dissertation von der Deutschen Physikalischen Gesellschaft und der Universität Jena, den Heinz-Billing-Preis zur Förderung des wissenschaftlichen Rechnens und den letztjährigen Heinz-Maier-Leibnitz-Preis.
ERC Starting Grants
Im Jahr 2022 stellt der Europäische Forschungsrat insgesamt 636 Millionen Euro zur Förderung von 408 ERC Starting Grants zur Verfügung. Die Förderung, die jungen Spitzenwissenschaftler:innen eine Forschungsgruppe finanziert, ist sehr begehrt und die Konkurrenz ist groß: Von den 2.932 Anträgen werden nur etwa 14% bewilligt. Tim Dietrich wird für seine Forschung in den kommenden fünf Jahren rund 1,5 Millionen Euro erhalten.