Vor 20 Jahren: Start der Geodäsie-Mission GRACE
Veranstaltung am Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ blickt zurück und voraus
Der Start von GRACE in die Erdumlaufbahn jährte sich am 17. März zum 20. Mal. Am Deutschen GeoForschungsZentrum in Potsdam wurde dieses Jubiläum mit einer Veranstaltung gefeiert. Mit dabei waren auch Vertreter des Albert-Einstein-Instituts (AEI) in Hannover. Das Satelliten-Tandem GRACE überwachte bis 2015 aus der Erdumlaufbahn das irdische Schwerefeld, den weltweiten Wasserhaushalt und Indikatoren der globalen Erwärmung. Seit 2018 setzt die Mission GRACE Follow-On die wertvolle Messreihe fort. Dabei kommt erstmals ein neuartiges und hochpräzises deutsch-amerikanisches Laserinstrument zum Einsatz, das auf deutscher Seite unter Leitung des AEI Hannover entwickelt wurde. Es hat sich als zuverlässig erwiesen und wird künftig der Standard für ähnliche Missionen sein. Nachfolger von GRACE Follow-On soll GRACE-I sein. Neben der bewährten Vermessung des Schwerefelds sollen auch ICARUS – eine Beobachtung von Tierwanderungen aus dem All – und ein weiterer neuartiger Technologiedemonstrator an Bord sein.
„Vor 20 Jahren begann mit dem Start von GRACE eine neue Phase der Erderkundung und Geodäsie. An Bord der Nachfolgemission GRACE Follow-On arbeitet seit 2018 erstmals ein Laserinterferometer im All. Während die beiden Satelliten die Erde umrunden, misst ein Laserstrahl wie sich die Entfernung zwischen ihnen verändert. Diese Messungen liefern wichtige Daten für die Klimaforschung. Das am AEI Hannover entwickelte und getestete Instrument funktioniert über Jahre hinweg hochpräzise und sehr zuverlässig“, sagt Gerhard Heinzel, Leiter der Arbeitsgruppe „Weltrauminterferometrie“ am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut; AEI) in Hannover. „Es ist klar, dass zukünftig ähnliche Geodäsie-Missionen standardmäßig die zuverlässige und hochpräzise Lasertechnologie einsetzen werden.“
Das Laser Ranging Interferometer (LRI) genannte System ist eine Kooperation zwischen NASA und deutschen Partnern, unter Federführung des AEI in Hannover auf deutscher Seite. Das LRI-Konzept, seine Prototypen und die technischen Spezifikationen kommen vom AEI, dessen Forscher:innen intensiv an der Entwicklung und den Tests der Flughardware beteiligt waren. Die Entwicklung des LRI beruht auf der langjährigen Partnerschaft des AEI mit dem Jet Propulsion Laboratory der NASA. Da sich das Lasersystem bewährt hat, können zukünftige ähnliche Missionen routinemäßig Laser- anstelle der Mikrowelleninterferometer verwenden.
Daten wichtiger denn je: Grönland-Eis schmilzt rapide ab
„Die Daten von GRACE und seinen Nachfolgern sind unverzichtbar um den Klimawandel zu beobachten. Grönland hat im Schnitt der letzten Jahre die unvorstellbare Menge von über 6000 Tonnen Eis jede Sekunde verloren“, erklärt Heinzel. „Das lässt sich nur mit Missionen wie GRACE aus dem Weltraum messen. Auch nach dem Ende der aktuellen GRACE Follow-On Mission müssen die Messungen fortgesetzt werden.“
Zukünftige Geodäsie-Missionen in der Erdumlaufbahn
Bereits jetzt laufen die Planungen für zwei Satellitenmissionen, die künftig aus der Erdumlaufbahn das Schwerefeld der Erde und seine Änderungen noch genauer vermessen sollen. Forschende des AEI sind an beiden Projekten am Design der verwendeten Laser-Interferometer beteiligt:
GRACE-I ist ein Gemeinschaftsprojekt der Helmholtz-Gemeinschaft, der NASA, des DLR und der Max-Planck-Gesellschaft. Das Satellitenpaar soll das am AEI mitentwickelte Laserinstrument LRI erstmalig als Hauptinstrument verwenden. Eine zusätzliche Nutzlast des ICARUS-Projekts unter Federführung des Max-Planck-Instituts für Verhaltensbiologie, die bisher an Bord der Internationalen Raumstation ist, soll Bewegungen von Tieren global und kontinuierlich beobachten.
„Es gibt erste Hinweise, dass die Änderungen des Zugverhaltens von Vögeln mit von GRACE gemessenen Änderungen des Wasserhaushalts einhergehen, so dass die Verbindung beider Daten wertvolle weitere Informationen über Dürre oder Überschwemmungen liefern kann“, sagt Karsten Danzmann, Direktor am AEI Hannover. „Dies ist besonders wertvoll in Gegenden, die für direkte Messungen nur schwer zugänglich sind, da GRACE die ganze Erde vermisst und die Tiere sich nicht an Grenzen und Krisengebiete halten.“
Unter Leitung der europäischen Raumfahrtagentur ESA wird parallel eine „Next Generation Gravity Mission“ (NGGM) geplant, die auf dem gleichen Prinzip beruht. Zwei Satellitenpärchen, die gleichzeitig in zu einander geneigten Erdumlaufbahnen messen, können die Messgenauigkeit für Änderungen des Erdschwerefelds – sowohl ihre zeitliche als auch ihre räumliche Auflösung – deutlich steigern.
Auf dem Weg zu LISA
Zudem ist das LRI an Bord von GRACE Follow-On ein weiterer Schritt zur Messung von Gravitationswellen im All. Denn das Interferometer in der Erdumlaufbahn verwendet angepasste Komponenten der zukünftigen LISA-Mission, die ab den frühen 2030ern winzige Längenänderungen messen soll – dann allerdings nicht mehr in der Erdumlaufbahn und zudem über eine Entfernung von 2,5 Millionen Kilometern.
Auf diese Weise wird LISA Gravitationswellen von Millionen Doppelsternsystemen in unserer Milchstraße, verschmelzenden Paaren extrem massereicher schwarzer Löcher im gesamten Universum und anderen exotischen Objekten nachweisen. Anders als die irdischen Gravitationswellen-Detektoren (GEO600, LIGO, KAGRA und Virgo) wird LISA dabei Gravitationswellen sehr niedriger Frequenz (im Bereich von Millihertz bis einem Hertz) beobachten und so einen ganz neuen Bereich des Gravitationswellen-Spektrums und damit neue Quellen erschließen.