Multi-Messenger-Astrophysik kompakter Binärsysteme

Multi-Messenger-Astrophysik kompakter Binärsysteme

Diese Max-Planck-Fellow-Gruppe untersucht mit numerisch-relativistischen Simulationen die abgestrahlten Gravitationswellen und elektromagnetischen Signale von verschmelzenden Neutronensternsystemen. Die Gruppe wurde im Jahr 2021 eingerichtet, um die Zusammenarbeit zwischen dem Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik und der Universität Potsdam zu stärken.

Die Beobachtung von Gravitationswellen und elektromagnetischer Strahlung einer binären Neutronensternverschmelzung im Jahr 2017 markiert einen Durchbruch auf dem Gebiet der Multi-Messenger-Astronomie. Um die Beobachtungsdaten mit den Eigenschaften der Quelle in Beziehung zu setzen, benötigt man genaue theoretische Modelle der letzten Phasen der Verschmelzung. Wegen der Komplexität der Gleichungen der Allgemeinen Relativitätstheorie und der Hydrodynamik kann man dies nur mit fortgeschrittenen numerisch-relativistischen Simulationen erreichen, die die Gruppe in Zusammenarbeit mit der Abteilung „Numerische und Relativistische Astrophysik“ durchführt. Diese Simulationen berücksichtigen alle Nichtlinearitäten der Einsteinschen Gleichungen und können dazu verwendet werden, die letzten Stadien der Verschmelzung genau zu beschreiben. Sie sagen das abgestrahlte Gravitationswellensignal voraus und sind unerlässlich, um die zentralen Triebkräfte von Gammastrahlenausbrüchen und den Ursprung schwerer Elemente in unserem Universum zu verstehen.

Tatsächlich sind Simulationen in der numerischen Relativitätstheorie das einzige Werkzeug, das die letzten paar Umlaufbahnen vor der Kollision der beiden Sterne abdecken kann, also die Phase, in der die Gravitationskräfte am stärksten sind. Dies macht die numerische Relativitätstheorie zu einem unverzichtbaren Werkzeug, um den Einfluss der intrinsischen Para-meter auf die Dynamik zu charakterisieren und um Gravitationswellenmodelle im Bereich starker Felder abzuleiten und zu validieren. Darüber hinaus liefert die numerische Relativitätstheorie Erkenntnisse über die Eigenschaften des Sternüberrests und die Menge des während des Fusionsprozesses ausgestoßenen Materials.

Leider ist es unmöglich, die gemessenen Daten direkt mit Simulationen in Beziehung zu setzen. Das liegt zum einen an den hohen Rechenkosten von numerisch-relativistischen Simulationen und zum anderen an der hohen Zahl von mehreren tausend gemessenen Gravitationswellenzyklen bei der Verschmelzung von binären Neutronensternen. Daher muss man einfachere Gravitationswellenmodelle entwickeln, mit denen man die Beobachtungen analysieren kann. Aufgrund der endlichen Größe und inneren Struktur von Neutronensternen müssen diese Gravitationswellenmodelle die Gezeitendeformation der Sterne im äußeren Gravitationsfeld ihrer Begleiter einbeziehen. In enger Zusammenarbeit mit der Abteilung „Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie“ werden diese Modelle von Mitgliedern der Max-Planck-Fellow-Gruppe entwickelt.

Neben der Entwicklung von Gravitationswellenmodellen ist die Gruppe auch an der Berechnung von Modellen für elektromagnetische Signale beteiligt, insbesondere für Kilonovae. Kilonovae sind Transienten, die im ultravioletten/optischen/infraroten Bereich beobachtbar sind. Sie entstehen in neutronenreichen Auswürfen und werden durch den radioaktiven Zerfall von Elementen des r-Prozesses angetrieben. Diese Transienten und insbesondere die kombinierte Analyse mit den gemessenen Gravitationswellen erlaubt es, Beschränkungen für die supranukleare Zustandsgleichung und die Expansionsrate des Universums zu formulieren. Innerhalb eines Multi-Messenger-Rahmens, der in unserer Gruppe entwickelt wurde, kombinieren wir Gravitationswellen- und elektromagnetische Informationen mit Ergebnissen aus kernphysikalischen Berechnungen und Experimenten.

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