Die Einstein Telescope Scientific Collaboration wurde gegründet
Wichtiger Schritt der europäischen Zusammenarbeit auf dem Weg zum Einstein-Teleskop
Die Gemeinschaft europäischer Forscher:innen, die seit den frühen 2000er Jahren an der Entwicklung des Einstein-Teleskops (ET) arbeiten, hat sich neu organisiert. Im Rahmen des 12. Einstein Telescope Symposium am 7. und 8. Juni 2022 in Budapest wurde die „Einstein Telescope Scientific Collaboration“ gegründet. Ziel der wissenschaftlichen Kollaboration ist, das Einstein-Teleskop, den europäischen Gravitationswellen-Detektor der dritten Generation, zu realisieren und damit Europas weltweit führende Rolle auf diesem Forschungsgebiet zu festigen und auszubauen.
„Wir waren eine wissenschaftliche Gemeinschaft, heute sind wir eine wissenschaftliche Kollaboration, d.h. ein strukturiertes und organisiertes System, das nach gemeinsamen Regeln arbeitet, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen: die Realisierung des Einstein-Teleskops. ET ist eine große europäische Forschungsinfrastruktur, die es uns ermöglichen wird, unsere weltweite wissenschaftliche und technologische Führungsrolle in diesem vielversprechenden Bereich der physikalischen Grundlagenforschung zu behalten. Dies ist daher ein Moment großer Zufriedenheit und Motivation für uns alle“, sagt Michele Punturo vom Istituto Nazionale di Fisica Nucleare, der die ET-Gemeinschaft bisher geleitet hat und nun Interimssprecher der Kollaboration ist.
„Mit der Gründung der Einstein Telescope Scientific Collaboration sind wir auf unserem weiten Weg zu einem europäischen Gravitationswellen-Observatorium der dritten Generation einen großen Schritt weiter gekommen. Sie stellt die exzellente wissenschaftliche Zusammenarbeit in Europa auf ein solides organisatorisches Fundament“, sagt Harald Lück, der stellvertretende Interimssprecher der Kollaboration, vom Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) Hannover und von der Leibniz Universität Hannover.
„Auch die deutsche Forschungslandschaft hat sich gut aufgestellt. Schon jetzt beteiligen sich rund 20 Institutionen aus unterschiedlichen Fachbereichen. Sie werden die Entwicklung von ET mit ihrer Expertise entscheidend voranbringen“, sagt Karsten Danzmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) Hannover und Direktor des Instituts für Gravitationsphysik an der Leibniz Universität Hannover.
Der europäische Detektor der dritten Generation
Das Einstein-Teleskop soll eine rund 10-fach höhere Empfindlichkeit für Gravitationswellen haben als Advanced LIGO und Advanced Virgo bei ihren Designempfindlichkeiten. Es wird die Gravitationswellensignale sehr viel detaillierter wahrnehmen und bislang unsichtbare schwächere Wellen erstmals aufspüren können. Während heute alle paar Tage ein Gravitationswellensignal empfangen wird, wird ET praktisch ununterbrochen Gravitationswellen nachweisen. Die aufgezeichneten Daten werden Neues über die extrem dichte Materie in Neutronensternen und über die Verteilung der beobachteten Ereignisse auf kosmischen Zeitskalen verraten, sowie neue kosmologische Untersuchungen ermöglichen.
Das Einstein-Teleskop am AEI Hannover
Das AEI Hannover ist seit langem eine führende Institution in der Gravitationswellenforschung und Mit-Initiator des Einstein-Teleskops. Die Schwerpunkte der Forschung liegen in den Bereichen quantenlimitierte interferometrische Messungen, Laserentwicklung, der Entwicklung von Quetschlichtquellen sowie Steuerung und Betrieb von Gravitationswellendetektoren.
Am Institut wird eine Laserquelle für den Einstein Telescope Pathfinder – so der Name eines Prototyps des Observatoriums – entwickelt und getestet und am Prototypen in Maastricht installiert. Forschende des Institut untersuchen zudem Fragen bei der Erzeugung von gequetschtem Licht und der Verwendung dieser Technologie in Gravitationswellen-Detektoren der 3. Generation, sowie der aktiven Unterdrückung seismischer Einflüsse auf die Spiegelaufhängungen von ET.
Der 10-Meter-Interferometer-Prototyp am Institut ist ein Prüfstand für neue Technologien, die in zukünftigen interferometrischen Gravitationswellen-Detektoren wie dem Einstein-Teleskop eingesetzt werden sollen.
Im Projekt „Glass Technologies for the Einstein Telescope“ (GT4ET) werden in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik zudem miniaturisierte Optomechaniken für das Einstein-Teleskop entwickelt.
Das Einstein-Teleskop am AEI Potsdam
Das AEI Potsdam spielt seit langem eine führende Rolle in der Gravitationswellenforschung. In den letzten Jahren waren Wissenschaftler:innen hier an der Erforschung der wissenschaftlichen Grundlagen für die Gravitationswellendetektoren der dritten Generation beteiligt, und einige von ihnen sind nun der Einstein Telescope Scientific Collaboration beigetreten. Sie wollen diese zukünftigen Detektoren nutzen, um einzigartige astrophysikalische und kosmologische Informationen sowie Erkenntnisse zur Grundlagenphysik aus Schwarzen Löchern und Neutronensternen zu gewinnen. Die Forschung am AEI Potsdam umfasst i) die theoretische Modellierung von Gravitationswellenquellen mit analytischen und numerischen Techniken im Vakuum und mit Materie, ii) hochentwickelte und effiziente Methoden zur Datenanalyse, um Rückschlüsse über die Populationseigenschaften von Doppelsternsystemen, die innere Zusammensetzung von Neutronensternen und die Natur der Schwerkraft zu ziehen, und iii) Untersuchungen von Phänomenen, an denen elektromagnetische Gegenstücke zu Gravitationswellenbeobachtungen von Doppelsternsystemen mit Materie beteiligt sind.