Fast 900 Tage Lasermessungen in der Erdumlaufbahn
Der erfolgreiche Betrieb des Laser-Interferometers an Bord von GRACE Follow-On begann vor drei Jahren
Mitte Juni 2018 hieß es „First Light!“ für ein neuartiges Laserinstrument in der Erdumlaufbahn. Das Laser Ranging Interferometer auf beiden Satelliten der deutsch-amerikanischen Geodäsie-Mission GRACE Follow-On wurde erstmals eingeschaltet. Gleich auf Anhieb konnten sich die 200 Kilometer entfernten Instrumente 490 Kilometer über dem Erdboden finden. Seitdem läuft das System zuverlässig und liefert hochpräzise Abstandsdaten im regulären Messbetrieb. Nun ziehen Forschende am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) und an der Leibniz Universität Hannover eine positive Bilanz der ersten drei Jahre und werfen einen Blick in die Zukunft.
First Light am 14. Juni 2018
Mit großer Spannung erwarteten die Forschenden vor drei Jahren, am 14. Juni 2018, das Einschalten ihres Instruments auf den GRACE-Follow-On-Satelliten, die nach einem Bilderbuchstart seit Mitte Mai 2018 die Erde hintereinander auf einer Bahn über die Pole umrunden. An den beiden Satelliten befinden sich münzgroße Löcher, eines zum Senden und eines zum Empfangen eines Laserstrahls. Eine Herausforderung lag darin den Laserstrahl durch diese Löcher über eine Distanz von etwa 200 Kilometern hin- und herzuschicken während die Satelliten mit rund 27.000 Kilometer pro Stunde um die Erde rasen. Das Kunststück gelang: Das Laser-Interferometer konnte praktisch unmittelbar nach dem Einschalten die wissenschaftliche Datenaufnahme beginnen. Seitdem wurden an etwa 870 Tagen Messdaten aufgezeichnet, wann immer die Satelliten und die anderen Instrumente dies erlaubten.
Mit dem Laserlicht werden Änderungen des 200 Kilometer Abstands zwischen den Satelliten auf rund einen Atomdurchmesser genau vermessen. Das ist rund 5000-mal präziser als die parallel eingesetzte etablierte Mikrowellen-Technik und auch 400-mal präziser als in der Missionsanforderung des Laserinterferometers spezifiziert. Aus den Messungen der Abstandsänderung lässt sich das Erdschwerefeld und dessen zeitliche Veränderungen ableiten. So lassen sich Indikatoren des Klimawandels wie abschmelzende Eismassen, sinkende Grundwasserspiegel und der steigende Meeresspiegel aus der Erdumlaufbahn überwachen.
Ein zuverlässiges und hochpräzises Messinstrument
Obwohl das Laser Ranging Interferometer nur als Technologiedemonstration mit einer minimal erforderlichen Laufzeit von drei Monaten angelegt war, sind auch nach drei Jahren keine Verringerung der Messgenauigkeit und Zuverlässigkeit des Instruments und seiner Komponenten festzustellen. Das Interferometer sollte daher auch weitere Jahre wertvolle Messdaten liefern.
„Wir wissen nun, dass Laserinterferometer im All zwischen Satelliten über Jahre hinweg hochpräzise und sehr zuverlässig betrieben werden können“, sagt Gerhard Heinzel, Leiter der Arbeitsgruppe „Weltrauminterferometrie“ am AEI und Manager der deutschen Beiträge zum Laser Ranging Interferometer. „Besonders beeindruckend ist, dass wir mehr als 100 Tage dauernde Mess-Segmente von über 1500 Erdumläufen haben, in denen die Satelliten 60 Millionen Kilometer zurückgelegt haben, während denen die Laserverbindung nicht einmal unterbrochen wurde. Auch für LISA, das geplante Gravitationswellen-Observatorium im All ist dies ein wichtiges Ergebnis, denn wir haben für GRACE Follow-On LISA-Technologie eingesetzt. Sie funktioniert einwandfrei und dauerhaft.“
LISA ist eine geplante Satellitenmission unter Führung der ESA mit NASA-Beiträgen, die ab 2032 ins All starten könnte und dort vom Erdboden aus nicht nachweisbare niederfrequente Gravitationswellen messen würde. LISA wird dafür wie GRACE Follow-On laserbasierte Abstandmessungen zwischen Satelliten – allerdings über deutlich größere Entfernungen von 2,5 Millionen Kilometer – verwenden.
Neue Möglichkeiten zur Satellitendiagnostik
Aufgrund der enormen Empfindlichkeitssteigerung bei den Messungen der Abstandsänderungen durch das Laserinterferometer ergeben sich zudem ganz neue Möglichkeiten, das Verhalten des Satellitentandems besser zu verstehen. Bestimmte bisher rätselhafte kurze Ereignisse, die die Beschleunigungssensoren der Satelliten registrieren, lassen sich mit Hilfe der Daten des Laserinstruments durch Treffer von Mikrometeoriten von der Größe eines Staubkorns erklären. Auch können die Effekte von Schubdüsen zur Lageregelung der Satelliten aus den Abstandsdaten extrahiert werden.
Verbesserte Messungen des Erdschwerefelds
Welches Potenzial in den Messungen des Laserinstruments steckt, wird bei gleichzeitiger Anpassung der Analyse-Methoden mit zunehmender Messdauer sichtbar. Die höhere Auflösung der laserbasierten Abstandsmessungen sorgt für genauere Karten des statischen Schwerefelds der Erde. Sie bildet aber auch kurzfristige zeitliche Änderungen ab, die in den bisher monatlich veröffentlichten Schwerefeldkarten fehlten. Forschende vom AEI Hannover, der Leibniz Universität Hannover und vom Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) Potsdam werden in den nächsten Jahren gemeinsam die optimale Auswertungsstrategie der Messdaten des Laserinstruments untersuchen.
Der Blick in die Zukunft
„Wir haben nach drei Jahren Messbetrieb konkrete Ideen dafür, wie wir die nächsten Geodäsie-Mission in der Erdumlaufbahn noch einmal verbessern können“, sagt Vitali Müller, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe „Weltrauminterferometrie“ am AEI. „Zukünftige Erderkundungsmissionen könnten dann nur noch ein Laserinstrument wie das Laser Ranging Interferometer zur Abstandsmessung verwenden.“
„Nach dem großen Erfolg von LISA Pathfinder zeigt uns GRACE-Follow-On nun, dass ein weiterer Baustein – die Laserverbindung zwischen weit voneinander entfernten Satelliten – bereit für die LISA-Mission ist“, sagt Karsten Danzmann, Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik Hannover und Direktor des Instituts für Gravitationsphysik an der Leibniz Universität Hannover. „Wir freuen uns, dass die Europäische Weltraumorganisation ESA die Entwicklung von bis zu zwei ähnlichen Missionen zur Messung des Erdschwerefelds und die dazugehörige Laser-Interferometrie vorantreibt. Mehrere gleichzeitig betriebene Satellitenpaare würden die Qualität der Erdschwerefeld-Karten erheblich verbessern.“