Hannoveraner Gravitationswellendetektor testet holographisches Universum
Hört GEO600 die Zeitquanten rauschen?
Leben wir in einem holographischen Universum? Sind Zeit und Raum körnig und kann man von einem Quantenrauschen der Raumzeit sprechen? Der amerikanische Physiker Craig Hogan ist fest davon überzeugt, Beweise dafür in den Daten des deutsch-britischen Gravitationswellendetektors GEO600 gefunden zu haben – das ist seine Erklärung für ein rätselhaftes Rauschen in den Detektordaten, dessen Ursache bislang ungeklärt ist. Ob sich Craig Hogans Vermutungen bestätigen lassen, soll in den kommenden Monaten mit neuen Experimenten direkt am Detektor untersucht werden.
Um die Theorie des holographischen Rauschens zu testen, wird die Frequenz der höchsten Empfindlichkeit von GEO600, also der Ton, den der Detektor am besten hören kann, schrittweise hin zu immer höheren Tönen verschoben. Normalerweise ist die Frequenz so eingestellt, dass beste Chancen bestehen, explodierende Sterne oder verschmelzende schwarze Löcher beobachten zu können.
Stellt sich heraus, dass das rätselhafte Rauschen bei höheren Frequenzen dem bei niedrigeren Frequenzen entspricht, ist dies noch kein Beweis für Hogans Hypothese. Es würde aber weitergehende Untersuchungen besonders motivieren. Dann wird die Empfindlichkeit von GEO600 durch den Einbau von 'gequetschtem Vakuum' sowie eines Modenfilters in einer neuen Vakuumkammer verbessert. Die Technologie des 'gequetschten Vakuums' wurde in Hannover besonders verfeinert und würde im Rahmen der Untersuchungen weltweit erstmals zum Einsatz in einem Gravitationswellendetektor kommen.
„Wir sind wirklich gespannt, welche neuen Erkenntnisse wir im Laufe des Jahres über das mögliche holographische Rauschen erhalten werden“, so Prof. Dr. Karsten Danzmann, Direktor des Hannoveraner Albert-Einstein-Instituts. „GEO600 bietet derzeit weltweit als einziges Experiment die Möglichkeit, die umstrittene Theorie zu überprüfen. Im Gegensatz zu den anderen großen Laserinterferometern reagiert GEO600 durch die eingesetzte Signal Recycling Methode bauartbedingt empfindlich auf Seitwärtsbewegungen des Strahlteilers. Das ist eigentlich unbequem, aber wir brauchen das Signal Recycling, um die kürzere Armlänge im Vergleich zu den anderen Detektoren zu kompensieren. Aber Holographisches Rauschen erzeugt genau so ein Seitwärtssignal und so wird der Nachteil in diesem Fall zum Vorteil. Wir befinden uns sozusagen im Mittelpunkt eines Wirbelsturms in der Grundlagenforschung.“
Auf der Suche nach der Körnigkeit der Zeit
Den kleinstmöglichen Bruchteil einer Entfernung bezeichnen Physiker als die „Planck-Länge“. Sie beträgt 1,6 · 10-35 m – das ist unvorstellbar klein und unmessbar. Auch die etablierten physikalischen Theorien gelten bei dieser Größenordnung nicht mehr. Nun überprüfen Wissenschaftler am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) und der Leibniz Universität Hannover eine Theorie des US-amerikanischen Physikers Craig Hogan, der davon überzeugt ist, in den Daten des Gravitationswellendetektor GEO600 die Zeitquanten rauschen zu hören.
Hogan geht davon aus,
- dass die Spiegel eines Interferometers sich in sehr schnellen Schritten in der Größenordnung der Planck-Länge relativ zu einander bewegen und
- dass sich diese Schritte während der Messung zu einer Größenordnung akkumulieren, die auch der Durchgang einer Gravitationswelle verursachen würde.
Hogan und die GEO600 Wissenschaftler gehen der Frage nach, ob ein bestimmtes „Störsignal“ in den vom Detektor aufgenommenen Daten auf die ‚Körnigkeit von Zeit und Raum‘ zurückzuführen ist.
Craig Hogan
ist Direktor des Zentrums für Astroteilchenphysik am Fermi National Accelerator Laboratory sowie Professor für Astronomie & Astrophysik an der Universität von Chicago. Er war Mitglied des Wissenschaftlerteams, das 1998 die dunkle Energie mit entdeckte.
GEO600
genießt aufgrund seiner innovativen und zuverlässigen Technologien weltweit einen exzellenten Ruf und gilt als „Think Tank“ für die internationale Gravitationswellenforschung. Hier wurden beispielsweise die modernsten Laser der Welt entwickelt, die heute in allen Gravitationswellenobservatorien weltweit eingesetzt werden. Mit der Technik des ‚gequetschten Vakuums‘ gehen die GEO600-Wissenschaftler noch einen Schritt weiter. Diese Technologie ist für die dritte Generation der Gravitationswellendetektoren vorgesehen. GEO600 ist ein gemeinsames Projekt von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, kurz AEI), der Leibniz Universität Hannover, der Cardiff University, der University of Glasgow und der University of Birmingham.
Das Zentrum für Gravitationsphysik, Albert-Einstein-Institut (AEI) Hannover
Am Zentrum für Gravitationsphysik betreiben Max-Planck-Gesellschaft und Leibniz Universität Hannover gemeinsam experimentelle Gravitationswellenforschung. Dazu gehört sowohl die Grundlagenforschung als auch die angewandte Forschung auf den Gebieten Laserphysik, Vakuumtechnik, Vibrationsisolation sowie die klassische Optik und Quantenoptik. Weitere Forschungsschwerpunkte sind die Entwicklung und Realisierung von Algorithmen zur Datenanalyse für verschiedene Typen von Quellen für Gravitationsstrahlung. Zusammen mit dem in Potsdam angesiedelten theoretischen Teil des Max-Planck-Instituts für Gravitationsphysik bildet das Albert-Einstein-Institut ein weltweit einzigartiges Zentrum für Gravitationsphysik, das alle ihre Aspekte abdeckt.
Gemeinsam mit britischen Forschungseinrichtungen betreibt das Zentrum für Gravitationsphysik in Ruthe bei Hannover den Gravitationswellendetektor GEO600. Die Wissenschaftler des Instituts sind außerdem federführend an LISA (Laser Interferometer Space Antenna), dem geplanten Gravitationswellendetektor im Weltraum beteiligt. Das Gemeinschaftsprojekt von NASA und ESA soll ab 2018 Gravitationswellen im Weltraum messen und damit erstmals so tief ins Universum hinein „hören“ können wie niemals zuvor.
Der Exzellenzcluster QUEST, Hannover
Das AEI Hannover ist am Exzellencluster QUEST beteiligt, der in der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördert wird. QUEST (Centre for Quantum Engineering and Space-Time Research) wird schwerpunktmäßig die Forschung zum Quanten- Engineering sowie zur Raumzeit vorantreiben, die zugrunde liegende Physik erforschen und innovative Methoden für neue Anwendungen erschließen. Die Aktivitäten von QUEST werden vier Kernbereiche aktueller Forschung deutlich voranbringen: Quanten- Engineering, Quantensensoren, Physik der Raumzeit und Zukunftstechnologien.