Schwarze Löcher aus dem Blickwinkel der Teilchenphysik
Gustav Mogull erhält den mit 5.000 Euro dotierten Karl-Scheel-Preis der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin
Gustav Mogull, Postdoktorand am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut/AEI) in Potsdam und der Humboldt-Universität zu Berlin, erforscht mathematische Methoden und Modelle der Teilchenphysik für eine präzisere Vorhersage von Gravitationswellen. Die Auszeichnung würdigt seine herausragenden Beiträge zur Allgemeinen Relativitätstheorie und Gravitationswellenphysik. Er erhält den Preis heute im Magnus-Haus der Deutschen Physikalischen Gesellschaft in Berlin.
Seit der ersten Messung von Gravitationswellen im Jahr 2015 hat sich ein neues Forschungsfeld zur Untersuchung von Schwarzen Löchern und Neutronensternen und zur Überprüfung der Allgemeinen Relativitätstheorie im Bereich sehr starker Gravitationsfelder entwickelt. Um die gemessenen Signale bestimmten astrophysikalischen Ereignissen wie beispielsweise verschmelzenden Schwarzen Löchern und Neutronensternen zuordnen zu können, müssen die Wissenschaftler*innen präzise Vorhersagen der Wellenformen machen. Mit diesen Wellenformschablonen suchen die Forschenden dann gezielt in den Daten der Detektoren nach Signalen.
„Wir müssen das Zweikörperproblem analytisch lösen, und zwar im Rahmen der Allgemeinen Relativitätstheorie. Numerische Simulationen von verschmelzenden Schwarzen Löchern und Neutronensternen sind zwar sehr genau, wir können sie aber aufgrund des riesigen Rechenaufwands nur für ausgewählte Fälle durchführen“, erklärt Mogull. Gemeinsam mit Jan Plefka, Professor an der Humboldt-Universität zu Berlin, Jan Steinhoff, Gruppenleiter in der Abteilung Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie am AEI, und Kooperationspartnern, hat er einen neuen theoretischen Rahmen geschaffen, um das relativistische Zweikörperproblem zu berechnen und so die Wellenformen präzise vorherzusagen.
Die Wissenschaftler*innen verwenden dabei Methoden aus der Teilchenphysik: Schwarze Löcher und Neutronensterne werden dabei als Teilchenanregungen von Quantenfeldern interpretiert. Mit ihrer neuen Methode, der Weltlinien-Quantenfeldtheorie (WQFT), konnte Mogull wichtige physikalische Beobachtungsgrößen für die Dynamik von Schwarzen Löchern und Neutronensternen herleiten.
Die heute verliehene Auszeichnung würdigt Mogulls Arbeiten zum Zweikörperproblem, die für das Verständnis von Gravitationswellen und für künftige hochpräzise Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie von großer Bedeutung sind. Seine Ergebnisse fliessen in die Modellierung von Gravitationswellensignalen für die Datenanalyse aktueller und zukünftiger Experimente ein. Insbesondere ein Modell, das kürzlich zusammen mit Alessandra Buonanno, Direktorin am AEI, und Kolleg*innen entwickelt wurde, nutzt die auf der WQFT basierenden Ergebnisse von Mogull, um eine vollständige Wellenform zu konstruieren, die das immer engere Umkreisen, die Kollision und die Abklingphase eines verschmelzenden kompakten Doppelsternsystems abbildet.
Der Preisträger
Gustav Mogull hat an der University of Cambridge Naturwissenschaften und Mathematik studiert und 2017 an der University of Edinburgh promoviert. Nach einem Postdoc-Aufenthalt in Uppsala (Schweden) forscht er seit 2020 in der Abteilung Astrophysikalische und Kosmologische Relativitätstheorie von Alessandra Buonanno am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik in Potsdam und im Rahmen des DFG-Graduiertenkollegs „Rethinking Quantum Field Theory“ an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Karl-Scheel-Preis
Der Karl-Scheel-Preis ist der bedeutendste Preis der Physikalischen Gesellschaft zu Berlin, Regionalverband Berlin/Brandenburg der Deutschen Physikalischen Gesellschaft e. V. (PGzB). Er wird seit 1958 für herausragende wissenschaftliche Arbeiten an junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Berlin und Brandenburg vergeben. Die Preisträger*innen werden mit der Karl-Scheel-Medaille und 5.000 Euro ausgezeichnet.