Einstein@Home und Zooniverse arbeiten jetzt zusammen
Bürgerwissenschaftler:innen können nun noch aktiver bei der Suche nach neuen Pulsaren helfen.
Seit seinem Start im Jahr 2005 sucht und findet das verteilte freiwillige Rechenprojekt Einstein@Home neue Neutronensterne, kompakte Überreste explodierter massereicher Sterne. Das Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Hannover und die University of Wisconsin-Milwaukee führen das Projekt durch. Einstein@Home bündelt die ansonsten ungenutzte Rechenleistung auf den PCs von mehr als 15.000 Freiwilligen und ist damit eines der weltweit größten Projekte dieser Art. Seit 2009 hat Einstein@Home Daten des Arecibo-Radioteleskops ausgewertet und dabei 31 neue Radiopulsare, eine besondere Art von Neutronensternen, gefunden. Jetzt arbeitet Einstein@Home mit Zooniverse zusammen. Auf diesem erfolgreichen Webportal für Bürgerwissenschaften können Freiwillige grafische Darstellungen der Einstein@Home-Ergebnisse klassifizieren um so weitere Pulsare in den Arecibo-Daten zu entdecken.
In Kürze: Seit 2009 helfen Einstein@Home-Freiwillige bei der Analyse von Beobachtungen der PALFA-Pulsar-Durchmusterung des Arecibo-Radioteleskops. Das Forschungsteam des Projekts hat die Ergebnisse mit Computerhilfe vorsortiert, um Zehntausende vielversprechender Pulsar-Kandidaten zu identifizieren, und hat für jeden von ihnen ein Set von grafischen, diagnostischen Darstellungen produziert. Jetzt ruft das neue Projekt „Pulsar Seekers“ die Freiwilligen der Bürgerforschungsplattform Zooniverse auf, neue Pulsare mittels dieser Darstellungen aufzuspüren.
Verteiltes Denken ergänzt verteiltes Rechnen
„Es war schon lange unser Plan, Freiwillige stärker bei Einstein@Home einzubinden und sie aktiv Pulsar-Kandidaten betrachten und klassifizieren zu lassen. Es ist großartig, dass das mit diesem neuen Zooniverse-Projekt Wirklichkeit wird“, sagt Bruce Allen, Direktor von Einstein@Home und Direktor am Max-Planck-Institut für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut, AEI) in Hannover.
Neutronensterne sind kompakte Überreste von Supernova-Explosionen und bestehen aus extrem dichter Materie. Sie sind etwa 25 Kilometer groß und wiegen mehr als unsere Sonne. Aufgrund ihrer starken Magnetfelder und ihrer schnellen Rotation senden sie wie ein kosmischer Leuchtturm Radiowellen in schmalen Strahlen aus. Wenn diese Strahlen während der Rotation des Neutronensterns auf die Erde gerichtet sind, wird er als Radiopulsar sichtbar.
Pulsare sind hervorragende Werkzeuge für die Astrophysik, die Forschung in verschiedenen Bereichen der Astronomie ermöglichen, beispielsweise um Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie zu testen, extrem dichte Materie zu verstehen, das dünne Gas zwischen den Sternen und das Magnetfeld unserer Galaxie zu untersuchen und nach niederfrequenten Gravitationswellen zu suchen.
Bisher hat Einstein@Home 31 Radiopulsare in Daten des Arecibo-Teleskops, 24 Radiopulsare in Daten des Parkes-Observatoriums in Australien und 39 Gammastrahlen-Pulsare in Daten des Fermi Gamma-ray Space Observatory der NASA entdeckt. Das langfristige Ziel des Projekts ist es, die bisher noch nie beobachteten kontinuierlichen Gravitationswellen von Neutronensternen zu entdecken.
Auf Schatzsuche im Erbe von Arecibo
Auf der Suche nach neuen Radiopulsaren beobachten Teleskope wie das berühmte Arecibo-Radioteleskop, das leider im Dezember 2020 eingestürzt ist, Hunderttausende von Himmelspositionen für jeweils einige Minuten. Jede dieser Beobachtungen muss dann auf das von Radiopulsaren erwartete regelmäßige Blinken überprüft werden. Die Suche nach Pulsaren, die allein im Weltraum sind, lässt sich in kurzer Zeit mit einer kleinen Anzahl von Computern durchführen. Die Suche nach Pulsaren in engen Umlaufbahnen um Begleitsterne ist sehr viel rechenintensiver, aber potenziell sehr lohnenswert. Astronom:innen schätzen, dass es in unserer Galaxie mindestens ein Doppelsystem aus zwei Neutronensternen gibt, die sich in nur zehn Minuten umrunden. Die Beobachtung eines solchen Systems würde einige der genauesten Tests der Allgemeinen Relativitätstheorie ermöglichen, die je durchgeführt wurden.
Die Einstein@Home-Freiwilligen und die Rechenleistung, die sie dem Projekt zur Verfügung stellen, machen eine solche Suche erst möglich. Wenn die Computer der Freiwilligen die Analyse einer Arecibo-Beobachtung abgeschlossen haben, ist das Endergebnis ihrer gemeinsamen Bemühungen eine lange Liste von fast 400.000 Kandidaten (mögliche Pulsarsignale), die jeweils durch eine Handvoll Zahlen beschrieben werden. In der Regel ist nicht mehr als ein echter Pulsar in einer Beobachtung zu erwarten.
Die Spreu vom Weizen trennen
„Einstein@Home hat mehr als 150.000 Beobachtungen des Arecibo-Radioteleskops ausgewertet, die im Rahmen der PALFA-Durchmusterung entstanden sind“, sagt Alexandra Botnariuc, Doktorandin am AEI Hannover. „Daraus ergibt sich die gigantische Zahl von 60 Milliarden Pulsar-Kandidaten! Das sind viel zu viele, um sie einzeln zu untersuchen, und die meisten von ihnen sind ohnehin keine echten astrophysikalischen Signale.“ Sie entwickelte und implementierte einen Algorithmus, um diese Zahl zu reduzieren. Die Methode spürt ähnliche Kandidaten auf, die wahrscheinlich durch dasselbe astrophysikalische Signal verursacht werden, und identifiziert diejenigen, die echten Pulsaren am meisten ähneln.
Zum Projektstart hat das Forschungsteam grafische Darstellungen der 50.000 vielversprechendsten Einstein@Home-Pulsar-Kandidaten erstellt und ein neues Zooniverse-Projekt namens „Pulsar Seekers“ ins Leben gerufen. „Die Zahl der Kandidaten ist so groß, dass eine einzelne Person diese Aufgabe nicht bewältigen kann. Daher ist die gemeinsame Anstrengung der Zooniverse-Teilnehmer von unschätzbarem Wert, um echte Pulsare zu identifizieren“, sagt Rahul Sengar, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der University of Wisconsin-Milwaukee, der das „Pulsar Seekers“-Projekt leitet. „Wir sind sehr gespannt, was die Zooniverse-Freiwilligen in unseren Daten entdecken werden!“
Die Bürgerwissenschaftler:innen erhalten auf Zooniverse eine kurze und einfache Anleitung, in der sie lernen, wie sie echte Pulsare von Störsignalen unterscheiden können. „Wenn alles gut läuft und mehrere tausend Zooniverse-Freiwillige an Pulsar Seekers teilnehmen, können sie in nur wenigen Tagen unsere ersten 50.000 Pulsar-Kandidaten zu durchforsten, die Spreu vom Weizen zu trennen und vielleicht einige interessante neue Pulsare zu finden“, sagt Colin Clark, Forschungsgruppenleiter am AEI Hannover. Dies könnte erst der Anfang einer längeren Zusammenarbeit zwischen Einstein@Home und Zooniverse sein. „Es ist möglich, dass wir bei unserer jetzigen Vorauswahl mögliche Pulsare übersehen haben, aber wir können noch tiefer graben und weitere Diagramme erstellen, die sich die Freiwilligen von Zooniverse ansehen können“, fügt Clark hinzu.